Volker Schlöndorff – Laudatio auf Luc Bondy
„Luc Bondy stammt aus einer bekannten Theater und Literaten Familie. Er ist der Sohn des Literaturkritikers Francois Bondy, sein Großvater, Fritz Bondy kam aus Prag, war ebenfalls Autor und Dramaturg.
So steht es bei Wikipedia d.h. so wird es überall nachgebetet. Dass sein Vater außer Literatur- auch Filmkritiker war, kann ich bestätigen, denn er hat meinen Erstling, den jungen Törless, sehr wohwollend besprochen. Da gab es wohl eine Affinität des Literatur-Kritikers zu Robert Musil und zu den Eleven des Internats.
Wir Berliner und Westdeutsche verbinden den Namen Luc Bondy zu allererst mit der Schaubühne, wo er gemeinsam mit Peter Stein, und nach dessen Rücktritt 1985 alleine als dessen offizieller Nachfolger gearbeitet hat. Zuvor hatte er in München und Hamburg seine ersten Sporen verdient, danach ging er nach Paris, nach England und zu den Salzburger Festspielen. Seit 1998 war er Schauspiel Direktor in Wien und von 2002-2013, also ein Dutzend Jahre lang, Intendant der Wiener Festwochen.
In seinen frühen Jahren schon zeichneten sich die Inszenierungen durch Leichtigkeit, Eleganz und Sinnlichkeit aus. Das war umso bemerkenswerter als in dieser Zeit, den siebziger Jahren, im Deutschen Theater, insbesondere an der Schaubühne, und in der Kritik eine unerbittlich politisch-radikale Stimmung herrschte; das Gegenteil von dem was heute als „ politisch korrekt“ gilt, wurde damals mit der gleichen dogmatischen Intoleranz eingeklagt.
Seine Herkunft hatte Luc Bondy allerdings gegen Fanatismus gefeit: Als Schweizer und auch als Jude war er geimpft gegen solch hysterischen Fanatismus.
Auch konnte er sich jederzeit nach Frankreich, Österreich oder Schottland absetzen.
Zuletzt war er in New York, und wir Berliner haben ihn etwas aus den Augen verloren. Ich jedenfalls habe jahrelang keine Inszenierung mehr sehen können. Wenn ich mir trotzdem herausnehme, beziehungsweise annehme, was mir angetragen wurde, nämlich ihn zu loben, so deshalb weil mich eine Art Wahlverwandtschaft mit ihm verbindet. Wobei sein Metier das Theater ist, das meine der Film. Beide haben wir Ausflüge auf das Territorium des anderen gemacht, ohne uns sonderlich auszuzeichnen, allerdings auch ohne uns zu blamieren. Ich habe seinen ersten Film die Ortliebschen Frauen gerne gesehen, vor allem wegen Libgard Schwarz. Mehr beeindruckt hat mich seine erste Inszenierung, Die See von Edward Bond am Residenztheater in München.
Nach einem kurzen Umweg über Frankfurt/Main und Hamburg ist Luc Bondy bei sich angekommen, in Berlin an der Schaubühne, bei Musset bei Marivaux (nie war Jutta Lampe schöner und liebenswerter als in seinem Irrgarten der Liebe) und bei Botho Strauss.
Und immer wieder auch in Mittel-Europa, bei Gombrovicz und Schnitzler. Das weite Land hat er in Paris bei Patrice Chéreau am Théatre Des Amandiers inszeniert und auch als Film. Deutsche Stücke in Frankreich also und französische Stücke in Deutschland. Preise pflasterten damals seinen Weg von Berlin über Paris nach Salzburg, wo er nicht nur Theater auch Oper, die Salome unter Christoph von Dohnanyi, inszeniert hat. Handke, Mozart, Verdi, Puccini und immer wieder Botho Strauss. Es ist eine im Rückblick wunderbare Beständigkeit bei den Autoren und bei den Themen, besser gesagt bei dem Thema: der Liebe. Für einen, der oft dem Tod auf der Schippe saß, ein nahe liegendes Festhalten am Lebenden.
Schon sehr früh musste er sich dem Krebs stellen, über die Jahre startete die unerbittliche Krankheit immer neue Angriffe, die er abwehrte mit Florett - spielerischer Eleganz - bei starkem Leiden und oft monatelang Klinikaufenthalten. ( Weshalb er auch heute nicht bei uns sein kann, aber über Skype – Schaltung bei uns ist und hoffentlich morgen entlassen wird. )
Darüber geben seine autobiografischen Dibbuks und ein Roman Am Fenster Auskunft. Auf der Bühne dagegen hielt er es mit Hofmannsthal und seiner Salome, die singt: „Denn das Geheimnis der Liebe ist größer als des Todes...“
„Heute“ ergänzt er, „würde ich diese Aussage allerdings korrigieren wollen. Das größte Rätsel ist für mich nun doch der Tod.“
Zurück zur Liebe: WIE sie kann man sie Inszenieren? „Betriebsgeheimnis, sagt er. Er suche dafür Umwege, da er glaube, dass Liebe auf der Bühne auszudrücken schwer sei.“ Und im Leben sowieso, im Film übrigens auch, ist es nicht leicht.
Was mich immer interessiert hat, lieber Luc: Wie arbeitest du mit Schauspielern? Das ist doch das große Geheimnis aller Regisseure. Du hast einmal gesagt „Ich möchte, dass Schauspieler bei mir das Gefühl haben, dass es ihr Projekt ist an dem wir arbeiten. Sie sollen sich beteiligt fühlen, sie sollen selber auf Ideen kommen. Wenn das gelingt, entsteht der Anschein von Leichtigkeit, weil es so aussieht, als passiere alles ganz mühelos und leicht, ohne Arbeit, ohne Schwere. Das mag ich sehr.“
Auch ich versuche mit Schauspielern etwas, das eigentlich dem lieben Gott vorbehalten ist: nämlich sie in den ZUSTAND DER GNADE zu versetzen, einen ETAT DE GRÂCE E, in dem ihnen dann alles gelingt.
Intuition, Gespür, Lebenserfahrung, Leidenserfahrung - das ist das Nächste, was mir dazu einfällt. “It’s the personnality, dummy.” Persönlichkeit ist das Geheimnis.
Henry James sagt, dass “life lived” die Voraussetzung für einen guten Roman sei. Dasselbe gilt wohl für einen eiRegisseur.
Peter Handke hat einmal zu ihm gesagt, „er sei eine Mischung aus Unglücks-Kind und Glückskind.“ –
Luc Bondy dazu: „Ich nehme gerade mit einer gewissen Verwunderung zur Kenntnis, wie viele Künstler sich auf ihre eigenen Krankheiten stürzen und in allen Einzelheiten schildern, wie es Ihnen geht. Und wie die Mediengesellschaft geradezu danach giert.
Ich war 25 Jahre alt, als ich zum ersten Mal eine Krebsdiagnose bekam und habe den Mund gehalten. Wenn ich etwas erzählen möchte, dann davon, wie man es trotzdem wieder schafft, weiter zu machen.“
Aber es gab auch in der Kunst Rückschläge, Tiefschläge genauer gesagt. Ich traf dich in New York bei den Endproben zu deiner Tosca. Du warst völlig euphorisch, ausgerechnet mit Puccini in der neuen Welt angekommen zu sein. Am Tag darauf berichtetest du: „Bei der Premiere von Tosca an der Metropoitan Opera pfiffen mich 2800 Zuschauer aus, als ich auf die Bühne kam. Sie waren empört, weil ich Tosca ziemlich realistisch und grau inszeniert hatte.“
Inzwischen hat das Publikum sich daran gewöhnt, trotz oder vielleicht wegen Zeffirellis giftiger Polemik.
Ich kann es nicht beurteilen, denn ich habe die Aufführung nicht gesehen. Ich habe überhaupt viel zu wenig von dir gesehen, um hier mitzureden. Glückskind und Unglücks Kind nannte Handke dich. Als Kind hatte Bondy die viele Jahre in Internaten verbracht, wie ich auch: Er in Südfrankreich, ich in der Bretagne. Es wurde zweimal im Jahr ein Theaterstück geprobt und aufgeführt. Der kleine Luc hoffte immer auf eine Rolle, landete aber meistens bei der Regie.
„ das ist das Familienerbe, sagt er. Mein Urgroßvater war der Direktor des Deutschen Theaters in Prag, mein Großvater lernte das Regie führen bei Max Reinhard. Mein Vater ist Publizist und Literaturkritiker, meine Mutter wollte Tänzerin werden, musste aber vor den Nazis fliehen.“
Er selbst hatte das Glück – Luc reimt sich darauf – bei Ionesco am Züricher Neumarkt-Theater zu assistieren, als er noch keine 20 war. Ich war 21 als ich bei Louis Malle anfangen durfte. „Alles an Ionesco hat mich beeindruckt. Seine Sprache, die Art wie er Dinge sah, seine kindliche Fantasie, sein clowneskes Gesicht, vor allem sein Humor und seine Poesie. Ich war von ihm so fasziniert, dass ich ihn nachahmte bis hin zu seiner Trinkerei und fiel abends besoffen ins Bett.“ Ionesco kein schlechter Pate zum Stunt.
Seinen ersten großen Erfolg feierte Luc Bondi sehr früh: 1973 mit der legendären Inszenierung von Die See von Edward Bond. Too much, too soon? Das habe ich mich auch gefragt, als meine Träume mit dem Jungen Törless zu früh Wirklichkeit geworden sind. Luc Bondy sagst: „Ich habe damals auf den Erfolg sehr puritanisch reagiert. Die protestantiche Art der deutschen Achtundsechziger hatte mich infiziert: Ich fühlte mich nicht berechtigt zu einem so frühen Erfolg. Also bin ich, um mich selbst zu strafen, ans Frankfurter Theater mit seinem Mitbestimmungs-Modell gegangen.“
Er hat es überlebt, was man nicht von allen sagen kann, die sich damals in das große Abenteuer einer politischen Kultur-Revolution gestürzt haben. Doch aufgrund seiner Herkunft (Mittel-Europa, jüdisch, Schweiz) hat er, wie gesagt, solche fanatischen Anwandlungen überstanden. Seine Frische, sein Witz und seinen Charme hat er nicht eingebüßt.
Die Académie de Berlin ehrt ihn heute, weil er so geblieben ist, wie er war,
Weil er so ist, wie er ist,
Balancierend auf einem dünnen Seil,
das auch auf der Zeichnung Tomi Ungerers unserer Einladung gespannt ist
- zwischen Leben und Tod,
- zwischen Ernst & Heiterkeit,
- zwischen Unglück und Glück,
fest vertrauend auf den Stab, der ihm hilft die Balance zu halten. Der Stab kann nur der der Liebe sein.